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Borkum als Startplatz in unendliche Weiten

Zum 50. Jahrestag der Rückkehr der Apollo 13

14.04.1970

Unter dem Titel „Historische Verantwortung wahren – Demokratie und Menschenrechte verteidigen“ veröffentlichten am 11. April dieses Jahres Repräsentanten aller obersten Thüringer Verfassungsorgane und der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora die so genannte Thüringer Erklärung[1] aus Anlass des 75. Jahrestages der Befreiung der genannten nationalsozialistischen Konzentrationslager am selben Tag des Jahres 1945.

 

Gerade an diesem Jahrestag, dem Tag der Rückkehr der Apollo 13 müssen wir uns auch besonders dieser Geschichte erinnern, denn, wie wir sehen werden, ist die Raumfahrt und besonders das Apollo 13 Programm, das der Menschheit den Weg zum Mond bahnte, nicht nur mit der Geschichte Ostfrieslands, sondern auch mit der gezielten Massenvernichtung eines Teils der Bevölkerung durch das nationalsozialistische Deutschland aufs Engste verbunden. Dieser Fortschritt hatte einen tödlichen Preis: Zwangsarbeit, Raketenkrieg, Mord und nicht zuletzt die Hölle des Konzentrationslagers Mittelbau-Dora, wo 20.000 Menschen durch Arbeit an den Raketen des Wernher von Braun vernichtet wurden.
 

In der zeitgenössischen Gegenwart des  Ostfrieslands des Jahres 1934 war dies jedoch noch eine ungeahnte Zukunft.

Aiko Schmidt, M.A.

Flattern auf und in die Höh,

Ach herrje, herrjemine![2]

– Borkum als Startplatz in unendliche Weiten

 

Am 19. und 20. Dezember 1934 konnten auf Borkum erstmalig erfolgreich zwei mit Flüssigkeit betriebene Raketen gestartet werden, die eine Höhe von mehr als zwei Kilometern erreichten; das führte zu der Gründung von Peenemünde auf Usedom / Uznam.

 

– Aber wehe, wehe, wehe,

Wenn ich auf das Ende sehe!! –[3]

 

Am 5. Juli 1927 gründete sich in Breslau der „Verein für Raumschiffahrt“, 1929 übernahm Hermann Oberth[4] das Amt des Vorsitzenden und zum Jahresende zog der Verein, der zeitweise mehr als 500 Mitglieder hatte, nach Berlin um. 1930 lernte Oberth den Teenager Wernher von Braun kennen, als das Berliner Kaufhaus Wertheim eine „Luftfahrtwoche“ veranstaltete.

Wernher Magnus Maximilian Freiherr von Braun[5] beschäftigte sich schon als Jugendlicher mit Raumfahrt sowie Raketen und machte im April 1930 sein Abitur an der Hermann-Lietz-Schule, einem Landerziehungsheim, auf Spiekeroog. 1930 kam er nach Berlin, um an der Verwirklichung seines Traums zu arbeiten, nämlich des Fluges in den Raum außerhalb der Erdanziehungskraft. In der Folge wurden die als Flüssigkeitsraketen entwickelten Minimumraketen MIRAK 1, MIRAK 2 (REPULSOR) und MIRAK 3 gestartet: Die MIRAK 1 explodierte trotz zahlreicher Brennversuche am 7. September 1930 direkt nach der Zündung. Am 14. Mai 1931 erreichte die MIRAK 2 eine Höhe von annähernd 60 Metern und wenige Wochen später ein gleichartiges Exemplar die Höhe von 500 Metern. Die MIRAK 3 konnte bei ihrem ersten Start fast einen Kilometer hoch fliegen.

1932 suchten die Forscher den Kontakt zur Wehrmacht, da sie auf potente Geldgeber angewiesen waren. Eine erste Vorführung am 22. Juni 1932 vor Offizieren missglückte, aber von Braun gelang es dennoch, den Verantwortlichen von einer Zusammenarbeit zu überzeugen. Doch einige Mitglieder des „Vereins für Raumschiffahrt“ weigerten sich, mit dem Militär zusammen zu arbeiten, denn die Forderung lautete, dass die Raketenentwicklung sowohl geheim bleiben als auch militärisch ausgerichtet sein müsste. So verließ Wernher von Braun, dem die finanzielle Unterstützung wichtiger als die Ethik war, den Verein und wechselte am 1. Oktober 1932 als ziviler Mitarbeiter von Tegel nach Kummersdorf in die Heeresversuchsanstalt.

Zur selben Zeit, da er bereits raketentechnische Entwicklungsarbeit leistete, studierte von Braun seit 1930 an der Technischen Universität in Berlin – zeitweise auch an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich – Physik und wurde 1934 in Berlin promoviert. Thema seiner Doktorarbeit waren „Konstruktive, theoretische und experimentelle Beiträge zu dem Problem der Flüssigkeitsrakete“. In diesem Jahr lösten die Nationalsozialisten den „Verein für Raumschiffahrt“ auf und beendeten damit die zivile Raketenforschung in Deutschland. In der Folge wurde die Rakete AGGREGAT 4 (A4) entwickelt, die – besser bekannt als VERGELTUNGSWAFFE 2 (V 2) – große Schäden in England anrichten sollte.

 

Ihrer Hühner waren drei

Und ein stolzer Hahn dabei. –[6]

 

Die erste von Wernher von Braun gebaute Rakete erhielt den Namen AGGREGAT 1 (A 1), wurde jedoch nie gestartet und wäre auch nicht flugfähig gewesen. Grund dafür war eine Fehlplanung: von Braun hatte in die Spitze der Rakete einen schweren Kreiselkörper gesetzt, der aber nicht den Flugkörper stabilisierte, sondern ihn kopflastig werden ließ. Das AGGREGAT 2 wurde modifiziert und der stabilisierende Kreiselkörper zwischen die beiden Treibstoffbehälter gesetzt. Mit zwei Exemplaren, die nach den von Wilhelm Busch[7] 1865 erdachten Lausebuben „Max“ und Moritz“ benannt worden waren, machte sich von Braun im Dezember 1934 nach Borkum auf. In der Nähe der Ostbake, einem festen Seezeichen, wurde am 19. Dezember die „Max“ genannte Rakete gezündet und flog in 16 Sekunden rund 1.700 Meter in die Höhe, bevor der Brennschluss erfolgte, d. h. als die Brennstoffe zur Neige gingen. Im nun folgenden freien Flug schwankte die Rakete stark hin und her, überschlug sich und stürzte über der Insel ab, um einige Hundert Meter südlich des Startplatzes auf den Boden aufzuschlagen.

Am Morgen des 20. Dezembers wurde auch „Moritz“ von derselben Stelle aus gestartet. Die zentral angebrachte Kreiselstabilisierung konnte dem starken Seewind Paroli bieten. Als die etwa 200 Meter hohe Starkwindschicht überwunden war, flog die A 2 stabil bis zur Brennschlusshöhe nach 16 Sekunden, die bei rund 2.200 Metern erreicht war, um dann ins Wattenmeer zu stürzen. Damit hatte zum ersten Mal eine Rakete die Zwei-Kilometer-Höhen-Marke geknackt. Sowohl „Max“ als auch „Moritz“ konnten geborgen werden, doch auch dieser Typ war noch verbesserungswürdig.

Sofort im Anschluss an die erfolgreichen Versuche begannen die Ingenieure um Wernher von Braun in Kummersdorf damit, ein neues Triebwerk zu entwickeln, das einen fünf Mal stärkeren Startschub erzeugen konnte als bisher. Das AGGREGAT 3 besaß Heckflossen, um stabilere Flugeigenschaften zu gewährleisten, und ein aktives Lenkungssystem, das Abweichungen von der Flugbahn regulieren konnte. Während der Entwicklungsphase wurde das Raketenzentrum Kummersdorf aufgegeben und die neue, innerhalb von wenigen Monaten fertig gestellte Heeresversuchsanstalt Peenemünde bezogen. Ein halbes Jahr nach dem Bezug Peenemündes wurden die ersten vier Exemplare der A 3 fertig gestellt. Der erste Startversuch am 4. Dezember 1937 der neuen Versuchsanstalt fand aber nicht in Peenemünde statt, sondern von der benachbarten Insel Greifswalder Oie. Doch im Vergleich zu den Borkumer Starts drei Jahre zuvor waren die insgesamt vier Aufstiege der A 3 unbefriedigend, da nur wenige Hundert Meter erreicht werden konnten.

Als erste Großrakete der Welt war die AGGREGAT 4 geplant, die schon 1936 langsam entstand. Doch die Schwierigkeiten mit der A 3 veranlassten die Ingenieure, sorgfältiger zu arbeiten und zunächst ein Zwischenmodell zu produzieren, nämlich – da A 4 als Bezeichnung schon vergeben war – das AGGREGAT 5. Im Sommer 1938 wurden die ersten Exemplare der 5,80 Meter hohen und fast 900 Kilogramm schweren Rakete wieder von der Greifswalder Oie, da die Startanlage in Peenemünde noch nicht fertig gestellt war, abgeschossen. Die Projektile erreichten eine Höhe von mehr als 12.000 Metern und ließen sich problemlos lenken. Da sie mit Fallschirmen ausgestattet waren, konnten fast alle Versuchsraketen geborgen und wieder verwendet werden. Diese Erfolge machten dem Team um Wernher von Braun Hoffnung, dass auch die A 4 eine gute Entwicklung nehmen würde.

14 Meter war das Geschoss lang, besaß einen Durchmesser von 162 Zentimetern und brachte ein Startgewicht von 12,8 Tonnen auf die Waage, wovon mehr als Zweidrittel während des Fluges reduziert wurden: 3,8 Tonnen Brennstoff und 4,9 Tonnen Sauerstoff sollten es auf eine Höhe von über 90 Kilometern tragen. Zwei Sekunden nach dem Start überschritt die Rakete die Geschwindigkeit von 100 Stundenkilometern schon bei weitem. Am 3. Oktober 1942 schließlich stieß zum ersten Mal in der Geschichte die Menschheit fast bis ins All vor: Die A 4 stieg 90 Kilometer hoch und stieß in die Thermosphäre[8] hinein. Innerhalb von fünf Minuten legte das Geschoss eine Strecke von über 200 Kilometern zurück, d. h. bei einer Geschwindigkeit von 0,6 Kilometern pro Sekunde flog es doppelte Schallgeschwindigkeit. Damit hatten die Peenemünder Ingenieure die Waffe gefunden, die zu ihrer Zeit unschlagbar war, denn aus der A 4 wurde die VERGELTUNGSWAFFE 2[9], die mit 1.000 Kilogramm Sprengstoff im Gefechtskopf 300 Kilometer weit entfernte Ziele treffen konnte.

Während die Wehrmacht in den letzten Monaten des schon längst verlorenen Krieges noch 3.000 – und damit die Hälfte der gebauten – V 2 gegen Ziele in Westeuropa verschossen, gingen in Peenemünde die Planungen weiter. Das PROJEKT SCHWIMMWESTE sollte ermöglichen, eine oder mehrere sich in einem tauchfähigen Schwimmkörper befindliche A 4 von einem U-Boot in Schlepptau zu nehmen, um die USA angreifen zu können. Auch die AGGREGAT 9 / AGGREGAT 10, die nur angedacht wurde, sollte einem Angriff der USA dienen. Die Planung begann schon 1940, als die USA noch gar kein Interesse an einem Eintritt in den Zweiten Weltkrieg hatten. Die zweistufige sogenannte Amerika-Rakete sollte eine Reichweite von 5.500 Kilometern haben. Innerhalb von 35 Minuten hätte eine solche Rakete die USA erreicht. Dieser Typ sollte auch als bemannte Rakete eingesetzt werden können. Es entstanden sogar Skizzen in Peenemünde für eine dreistufige Rakete, die die Erdanziehungskraft hätte überwinden können. Diese Überlegungen und Skizzen dienten später dem Bau der SATURN-Trägerrakete. Und eine letzte Idee, die Wernher von Braun während des tobenden Krieges entwickelte, war das AGGREGAT 12, das mit der A 11 als zweiter und dem A 10 als dritter Stufe ein 30 Tonnen schweres Fahrzeug in den Orbit bringen sollte. Doch das waren Projekte, die erst nach Ende des Krieges von anderen Nationen umgesetzt wurden, wobei die meisten Ingenieure aus Peenemünde an der Verwirklichung beteiligt waren. Wernher von Braun ging mit 120 seiner Mitarbeiter nach der Kapitulation in die USA, wo sie in White Sands / New-Mexico weiter forschten und kreierten. Andere wurde in die Sowjetunion deportiert, wo sie ebenfalls an der Eroberung des Kosmos und des Mondes arbeiteten.

 

Literatur

 

http://www.aggregat-2.de.

http://www.urbin.de/kegelduese/kegelduese.htm.

Brian Johnson, Streng geheim. Wissenschaft und Technik im Zweiten Weltkrieg. Geheime Archive erstmals ausgewertet, Stuttgart o. J. (englisches Original: The secret war, London 1978).

 

[2] Wilhelm Busch, Max und Moritz. Ein Bubengeschichte in sieben Streichen: Erster Streich.

[3] Wilhelm Busch, Max und Moritz. Ein Bubengeschichte in sieben Streichen: Vorwort.

[4] * 25.6.1894 in Hermannstadt / Siebenbürgen (heute Sibiu / Rumänien) † 28.12.1989 in Nürnberg.

[5] * 23.3.1912 in Wirsitz / Posen (heute Wyrzynsk / Polen) † 16.6.1977 in Alexandria / Virginia / USA.

[6] Wilhelm Busch, Max und Moritz. Eine Bubengeschichte in sieben Streichen: Erster Streich.

[7] * 15.4.1832 in Wiedensahl † 9.1.1908 in Mechtshausen.

[8] Die Atmosphäre der Erde besteht aus mehreren Schichten. Die unterste Schicht mit einer Höhe von etwa 15 Kilometern ist die Troposphäre, darüber befinden sich die etwa 35 Kilometer hohe Stratosphäre, die etwa 30 Kilometer hohe Mesosphäre, die etwa 420 – 520 Kilometer hohe Thermosphäre und schließlich die Exosphäre. In der Thermosphäre umkreist die Raumstation ISS die Erde.

[9] Die VERGELTUNGSWAFFE 1 (V 1) besaß einen Gefechtskopf mit 850 Kilogramm Sprengstoff und konnte ebenfalls 300 Kilometer weit fliegen. Sie wurde am 13. Juni 1944 zum ersten Mal gegen ein Ziel in England eingesetzt. Ihr folgten rund 10.000 weitere Projektile dieser Art, von denen allerdings etwa 40 % abgefangen werden konnten. Insgesamt waren 32.000 V 1 gefertigt worden.