"Staffordshire Keramikfiguren" als Neuzugang
Ein Dank an den Emder Sammler Bernhard Brahms
Ein Dank an den Emder Sammler Bernhard Brahms
Dr. Annette Kanzenbach
Wir hören das Glockenspiel, das im 2-Stunden-Takt vom Turm des alten Emder Rathauses zu hören ist und denken an dessen Stifter Bernhard Brahms, der im Juni 2019 noch seinen 90. Geburtstag erleben durfte. Wir sehen die Delftspucker am Ratsdelft und denken an Bernhard Brahms, der den ersten der drei 2017 seiner Heimatstadt schenkte. Wer Bernhard Brahms zuhause besuchte - im obersten Stockwerk des Hochhauses an Schreyers Hoek - wurde an der Hausbar nicht nur bestens bewirtet, sondern sah, was Bernhard Brahms so alles mit großer Leidenschaft sammelte. Seine Sammlung englischer und Delfter Keramik vermachte er der „Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer“, um damit wichtige Lücken in den Sammlungen des Ostfriesischen Landesmuseums Emden zu schließen.
Von allergrößtem Charme ist seine gut gewählte Sammlung an Staffordshire Keramikfiguren aus der viktorianischen Zeit, der Regierungszeit der englischen Königin Viktoria 1837-1901. Diese waren damals ein beliebtes, kostengünstiges Mitbringsel von Seefahrern, wodurch sie bald entlang der Nordseeküste von Dänemark bis Belgien verbreitet waren. Bernhard Brahms, der aus einer Kapitänsfamilie stammte und selbst gern in England war, griff diese Tradition für sich auf. 20 Hundepaare und 12 Einzelfiguren kamen aus seiner Sammlung nun ins Museum.
Nur harmloser Kaminschmuck?
In Nordwestdeutschland kennt man für die Hunde aus Staffordshire ganz unterschiedliche Bezeichnungen. Man sie nennt sie Kaminhunde, weil einer ihrer ursprünglichen Aufstellungsorte der Kaminsims war. Des Weiteren stellte man sie gern oben auf den Schrank, wo man auch Ensembles von Delfter Vasen platzierte. Ein dritter war das Fensterbrett, wo die Hunde und andere Zierfiguren heute noch in manchem ehemaligen Fischer- und Kapitänshaus von Dänemark bis Belgien zu entdecken sind. Von diesem Brauch dürfte die Legende abgeleitet sein, dass die Hunde auf dem Fensterbrett anzeigten, ob der Ehemann zuhause war oder sturmfreie Bude ist.
Eine weitere Überlieferung verweist in die Welt der Bordelle. Diese waren in England unter Queen Victoria streng kontrolliert und zeitweise verboten. Betrat man dennoch ein solches Haus, brauchte es einen guten Grund, der etwa der Kauf dort angebotener (preiswerter) Keramikfiguren sein konnte. Daraus leitet sich die spöttische Bezeichnung: Puffhunde ab, was eine Abwertung beinhaltet, die diese charmanten und kulturgeschichtlich sprechenden Zierobjekte nicht verdienen.
Design für alle!
Hergestellt wurden die Figuren in der mittelenglischen Grafschaft Staffordshire. Aufgrund der Rohstoffvorkommen gab es dort eine lange Tradition für die Keramikproduktion. Töpfereien waren in der ganzen Region verteilt. Zwei dort entwickelte Produktlinien sind heute noch sehr bekannt. Die eine ist die hochwertige Wedgwoodware, die Josiah Wedgwood ab 1760 produzierte. Sie war im Klassizismus in wohlhabenden Kreisen sehr beliebt und wurde bald in vielen Töpfereien nachgeahmt. Die andere Produktgruppe sind die sogenannten Staffordshire Figuren, mit denen andere Töpfereien der Region um 1840 eine neue Marktlücke fanden: preiswerte Porzellanfiguren. Sie wurden mit wenig Aufwand in der Form und mit sehr sparsamer Bemalung so kostengünstig hergestellt, dass sich auch einfache und arme Leute diese Zierobjekte leisten konnten. Die besonders bewährten Modelle wurden in großen Mengen produziert und waren überall in England für wenig Geld zu kaufen. Als diese ‚billigen‘ Figuren aus Staffordshire um 1900 aus der Mode kamen, wurden sie selten aufbewahrt. Heute sind gut erhaltene Stücke beliebte Sammlerobjekte und für seltene Ausformungen werden auch schon mal mehrere Tausend Euro geboten.
Besonders beliebt waren Hunde, die in unterschiedlichen Rassen zumeist paarweise und in sechs Größen angeboten wurden. Vorzugsweise waren es Spaniel, die im englischen Königshaus schon eine lange Tradition hatten, und Pudel, gefolgt von Pitchern und Windhunden. Zum anderen waren es kleine Figuren, die mit Blick auf eine tagesaktuelle Prominenz in der breiteren, ländlichen Bevölkerung entworfen wurden. Gern gekauft wurden Darstellungen von Mitgliedern des englischen Königshauses, prominente Schauspieler, Politiker, Verbrecher und volkstümliche Szenen mit Schäfern, Jägern oder Gärtnern. Oftmals waren die Figuren mit kleinen vasenartigen Gefäßen verbunden, in denen man lange Holzspäne oder fest gedrehtes Papier als Zündholzer bereitstellte.
Bernhard Brahms sammelte vor allem mit Rot oder Gold gefleckte Spaniel und weiße Pudel. Die kleinsten seiner Hunde sind ein weißes 8 cm hohes Pudelpaar, die größten sind Pudel von 26 cm Höhe. Sehr besonders sind das Paar schwarzer Spaniel und die beiden Katzen, während der bettelnde Hund in Kannenform damals wieder zu den unverzichtbaren Standards gehörte. Was die anderen Figuren betrifft, so sind die Hundefamilien, der schnuppernde Hund und die Schwanenfamilie von unwiderstehlichem Charme ebenso wie der Junge und das Mädchen mit den Blumenkörben.
Sobald es wieder möglich ist, können bei einem Besuch im Rummel des Ostfriesischen Landesmuseums Emden die Figuren selbst in Augenschein genommen werden.