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Ostfriesisches Landesmuseum Emden
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Öffnungszeiten:
Di - So: 10:00-17:00 Uhr
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Wer hat die Postkarten beschrieben und versendet, wer hat sie empfangen und gelesen?

Schätze aus dem Ostfriesischen Landesmuseum Emden

Wer hat die Postkarten beschrieben und versendet, wer hat sie empfangen und gelesen?

Eine beschriebene und versendete Postkarte bietet mehr als nur einen Ausschnitt städtischer Ansichten, nämlich Informationen privater Natur. Es gibt jemanden, der auf ihr einen Text schreibt und sie absendet, und jemanden, der sie empfängt und den Text liest, sowie eine Mitteilung, die etwas über den Bezug zwischen diesen beiden Jemanden verrät.

 

1988 schenkte der in Weilburg lebende Dr. Horst Emden dem Ostfriesischen Landesmuseum Emden drei Postkarten, die er im Nachlass seiner Eltern gefunden hatte.

Die Postkarte mit der Inventarnummer FS 11470 wurde am 27. Dezember 1898 an den Musketier Dirk I. Dirkssen versendet. Der Schreiber war sein Vater. Auf der Rückseite ist die am Kattewall stehenden Mühle „De goede Verwachting“ (Die gute Erwartung) abgebildet und folgender Text geschrieben: „den 27/12 1898 / Lieber Dirk! / Die herzlichsten Glückwün- / sche fur [durchgestrichen] zum neuen Jahre / senden [sic!] Dein / Vater“. Ob der Vater tatsächlich den gesamten Text geschrieben hat, darf bezweifelt werden, da das Wort „Vater“ einen anderen Schreibstil als der Rest des Satzes aufweist.

Auf der Vorderseite ist der Adressat angegeben: „An / den Musketier Dirk I. Dirkssen. / Königliches Bezirks Commando / Mergenthein / Königreich Würtemberg [sic!] / Soldatenbrief! / Eigene Angelegenheit / des Empfängers.“

Aufgrund des Schreibdatums lässt sich einigermaßen das Geburtsjahr des Empfängers einkreisen, denn in der Kaiserzeit wurden die Männer mit ihrem 17. Geburtstag wehrpflichtig. Die Dienstzeit dauerte je nach Waffengattung zwei bis drei Jahre. Dementsprechend müsste Dirk I. Dirkssen zwischen 1879 und 1882 geboren worden sein.

In einem von Johann Franssen erstellten Register der im Emder Standesamt ausgestellten Geburtsurkunden ist Dirk Ite Dirkssen verzeichnet, der am 5. März 1879 in Emden als Sohn des Packhausmeisters Dirk Ite Dirksen und seiner Ehefrau Catharina, geb. Wilhelmi zur Welt kam. Somit war Dirk Ite Dirkssen vor seinem 20. Geburtstag Soldat geworden. Das Ehepaar hatte außerdem die Tochter Bertha, die am 31. August 1880 in Emden geboren wurde.

Laut Adress-Buch für die Stadt Emden 1897 wohnte ein als Arbeiter bezeichneter Dirk Dirkssen in der Großen Brückstraße 65. Weitere Personen, die den Namen Dirk Dirksen oder Dirk Dirkssen tragen, sind nicht eingetragen. Da der Vater von Dirk Ite Dirkssen jun. am 27. Dezember 1898 die Karte zumindest unterzeichnet hat, muss er 1897 gelebt haben – ob allerdings in Emden, ist zunächst ungewiss, denn die in der Geburtsurkunde benannte Berufsbezeichnung des Vaters von Dirk Ite jun. stimmt nicht mit der im Adressbuch von 1897 für Dirk Dirkssen angegebenen überein.

 

Die Postkarte mit der Inventarnummer FS 11471 wurde am 18. Mai 1901 an „Herrn D. Dirkssen Buchbinderg. / per Adr. Herrn Hertel Buchbinder. / Wolmerstedt / Bez. Magdeburg / frei“ gerichtet. Abgesendet wurde sie von „B. Dirkssen / Emden. Gr. Brückstr. 65“. Neben dem ostwärts gerichteten Blick auf den Neuen Markt findet sich auf der Rückseite der Text: „Schönsten Dank für Ansichts Karte, / auf die ich schon lange warte / Wird‘ mich freuen wenn recht oft / Karten kommen unverhofft. Frdl. Grüße / sendet Dein B. // Wie Du schreibst amisirst / Dich ja großartig / Werde morgen mit M. nach / Irhove fahren sende Dir von dort / eine Karte. // Grüße bitte die 3 Unbekannte / von mir, du weißt es ja wohl. / Brief folgt. Viel Vergnügen morgen.“ Aufgrund der Grußformel „Deine B.“ muss es sich also um eine Schreiberin handeln.

 

 

 

Da diese Postkarte zweieinhalb Jahre nach der oben vorgestellten Postkarte (FS 11470) geschrieben wurde, könnte Dirk Ite Dirkssen jun. inzwischen seine Militärzeit beendet haben und als Buchbindergeselle tätig sein. Allerdings findet sich in dem oben benannten Register in der Rubrik „Vater“ auch der Buchbindermeister Johannes Hinderikus Dirkssen (* 18.10.1853 in Emden † 10.2.1912 in Emden), der seit dem 18. Juli 1880 mit Henriette Viëtor (* 16.12.1857 in Emden † 19.2.1929 in Emden) verheiratet war. Daher liegt die Vermutung nahe, dass einer seiner Söhne den väterlichen Beruf ergriffen hat, um eines Tages die Werkstatt zu übernehmen. Eines der zwölf Kinder von Johannes Hinderikus Dirkssen erhielt den Namen Johann Diedrich und war damit das einzige, auf das die im Adressfeld angegebene Initiale „D“ passt. Johann Diedrich wurde am 24. November 1884 in Emden geboren. 1897 und 1902 wird in den Emder Adressbüchern die Wohnung des Buchbinders Johs. Dirkssen mit Kleine Brückstraße 43 angegeben.

 

Die Absenderin B. Dirkssen ist aufgrund der Adresse Große Brückstraße 65 relativ einfach zu bestimmen. Dass es sich um ein weibliches Wesen handeln muss, das keinesfalls die Mutter sein kann, verrät die Formel „Frdtl. Gruß sendet Deine B.“. Im von Johann Franssen angelegten Geburtsregister tauchen unter dem Nachnamen Dirksen / Dirkssen mehrere Mädchen auf, deren Vornamen mit einem „B“ beginnen: Bernhardina (* 6.12.1891 in Emden), Bertha (* 31.8.1880 in Emden), Bertha (* 16.1.1884 in Emden) und Bertha Anna (* 16.3.1887 in Emden). Der Hinweis in der Absenderadresse auf die Große Brückstraße 65 verweist darauf, dass sein Vater der Arbeiter Dirk Dirkssen sein dürfte, der auch im Adress-Buch der Stadt Emden 1902 unter dieser Adresse zu finden ist. Der einzige Dirk Dirksen / Dirkssen, der laut Geburtsregister eine Tochter hat, deren Vorname mit einem „B“ beginnt, ist der oben benannte Packhausmeister Dirk Ite Dirkssen sen. Somit kann darauf geschlossen werden, dass der in den Geburtsurkunden genannte Packhausmeister identisch mit dem in den Adressbüchern angegebenen Arbeiter war.

 

Der Text auf der Postkarte mit der Inventarnummer FS 11472 wurde am 24. August 1900 „An den Musketier D. Dirkssen / Königl. Bezirks Commando / Mergentheim / Königreich Würtemberg [sic!] // Soldatenbrief / Eigene / Angelegenheit / des Empfängers“ geschrieben. Als Verfasserin unterzeichnete „Deine Schwester Bertha“. Die Mitteilung lautete: „Montag in 14 Tagen ist hier Schützenfest, / soll wohl schön werden, / schicke Dir auch eine Ansichtskarte davon / Deine Karte haben wir erhal- / ten, unsern besten Dank / Nächste Woche vieleicht [sic!] bekommst Du Dein Pa- / ket wenn es [...] geht. Gruß von Eltern. / Grüße Deine Kameraden. oder / Freunde // Küssen [?] auch / viel [...] [...] / solle Dich vielmals grüßen. / Und von Frau [...] u Wagner / Sonntag ist Mutters Geburtstag / gewesen haben keine Karte von dir / erhalten. Gruß Bertha.“

 

 

 

Musketier D. Dirkssen war sicherlich identisch mit Musketier Dirk I. Dirkssen, also war der Empfänger der dritten Postkarte Dirk Ite Dirkssen jun. Als Absenderin der Postkarte unterschrieb seine Schwester Bertha Dirkssen. Die Eltern der Geschwister waren, wie schon erwähnt, der Packhausmeister bzw. Arbeiter Dirk Ite Dirkssen sen. und seine Ehefrau Catharina, geb. Wilhelmi, die in der Großen Brückstraße 65 lebten.

 

Somit besteht Klarheit über die Protagonisten: Postkarte FS 11470 wurde von Dirk Ite Dirkssen sen., wohnhaft in der Großen Brückstraße 65, am 27. Dezember 1898 an seinen Sohn Dirk Ite Dirkssen jun., der als Musketier in Württemberg diente, geschrieben. Postkarte FS 11471 wurde von dessen Schwester Bertha Dirkssen, als unverheiratete junge Frau ebenfalls wohnhaft in der Großen Brückstraße 65, am 18. Mai 1901 an den Buchbindergesellen Johann Diedrich Dirkssen, der in Wolmerstedt bei Magdeburg tätig war, geschrieben. Postkarte FS 11472 wurde von Bertha Dirkssen am 24. August 1900 an ihren Bruder Dirk Ite Dirkssen jun., der noch immer als Musketier in Württemberg diente, geschrieben.

 

Dirk Ite Dirkssen (* 5.2.1821 in Emden † 8.3.1906 in Emden) heiratete am 23. Juni 1872 in zweiter Ehe Johanna Catharina Wilhelmi (* 19.8.1838 in Amsterdam † 27.7.1908 in Emden). Gemeinsam schenkten sie Dirk Ite Dirkssen jun. (* 5.3.1879 in Emden) und Bertha Dirkssen (* 31.8.1880 in Emden) das Leben. Bertha heiratete zunächst den Kaufmann Wilhelm Adolf Schiemeck (* 22.7.1881 in Lübeck † 1.9.1917 in Wolthusen) und nach dessen frühen Tod in zweiter Ehe am 22. Januar 1921 den Bautechniker und späteren Stadtbauinspektor Gerhard August Ammermann (* 10.12.1881 in Brake † 27.10.1962 in Emden). Sie starb im hohen Alter von 86 Jahren am 17. September 1966 in Emden. Der Todestag von Dirk Ite Dirkssen jun. ist bislang unbekannt.

 

Buchbinder Johann Diedrich Dirkssen, der am 24. November 1884 geborene Sohn des Buchbindermeisters Johannes Hinderikus Dirkssen (* 18.10.1853 in Emden † 10.2.1912 in Emden) und seiner Ehefrau Henriette Viëtor (* 16.12.1857 in Emden † 19.2.1929 in Emden), blieb unverheiratet und verschied am 31. August 1951 in Varel. Obwohl Bertha ihre Postkarte an den „Buchbinderg. D. Dirkssen“ adressiert hatte, lautete sein Rufname – wie aus der Sterbeurkunde ersichtlich wird – Johann.

 

Johannes Hinderikus Dirkssen war der Sohn des Arbeiters Jan Dirksen (* 19.5.1824 in Emden † 14.10.1857 in Emden) und seiner Ehefrau Brechtje Janssen Bikker (* 1.3.1800 in Wolthusen † 18.3.1860 in Emden) sowie der Neffe des Packhausmeisters bzw. Arbeiters Dirk Ite Dirkssen sen. und der Vetter des Musketiers Dirk Ite Dirkssen jun. Somit war Bertha Dirkssen eine Großbase des von ihr angeschriebenen Johann Diedrich Dirkssen.

Wie die Postkarten Eigentum der Eltern des Schenkers Dr. Horst Emden wurden, ist leider nicht bekannt, sicher scheint aber zu sein, dass sie in keinem verwandt- oder bekanntschaftlichen Verhältnis zu den hier vorgestellten Protagonisten standen.

Aiko Schmidt